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Entwicklung

Geschichte der Produktverantwortung für Verpackungen und Ziele der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR)

Die 90er Jahre

Im Jahr 1991 kreierte Umweltminister Klaus Töpfer ein neues Modell der Entsorgung. Die Verpackungsverordnung (VerpackV) von 1991 regelte erstmals eine zweite (duale) Entsorgungsschiene für die Verpackungen des privaten Endverbrauchers neben der öffentlichen Entsorgung durch die Kommunen. Die Wirtschaft sollte das Entsorgungsproblem und das Recycling von Verpackungen selbst lösen. Zu den Hintergründen gehörten insbesondere die knappen Beseitigungskapazitäten der Kommunen. Handel und Industrie wurden in die Verantwortung genommen und gründeten das Duale System Deutschland zur haushaltsnahen Sammlung und Verwertung von Verkaufsverpackungen. Aus herausfordernden Anfängen entwickelte sich aus dem Gemeinschaftsprojekt von Handel und Industrie ein ganzer Wirtschaftszweig.

Im Laufe der Jahre wurde die Verpackungsverordnung zahlreichen Novellierungen unterzogen. Die Europäische Union zog nach und veröffentlichte am 20. Dezember 1994 die Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates über Verpackungen und Verpackungsabfälle. Diese wurde durch VerpackV 1998 und Ablösung der VerpackV 1991 umgesetzt. Damit galt ein einheitliches Rechtsregime für die Entsorgung von Verpackungen in Europa. Zudem wurden einheitliche Verwertungsziele festgelegt.

Bereits die Verpackungsverordnung basierte auf dem Prinzip der Produktverantwortung. Herstellern und Vertreibern von Verpackungen (sogenannten Erstinverkehrbringern) wurden Rücknahme-, Verwertungs- und Pfandpflichten für die Verpackungen der durch sie vertriebenen Produkte auferlegt. Sie wurden verpflichtet, diese nach Gebrauch unentgeltlich zurückzunehmen oder ein Entgelt für die Entsorgung zu zahlen und die Verpackungen einer Verwertung zuzuführen. Vor diesem Zeitpunkt waren ausschließlich die Gemeinden für die Abfallentsorgung zuständig. Die erste Fassung der Verpackungsverordnung sah ein Monopol für die Entsorgung vor. Dementsprechend wurde zunächst das Duale System Deutschland zur Umsetzung der neuen Pflichten gegründet. Dieses Monopol wurde anfänglich vom Kartellamt geduldet, da es zunächst darum ging, eine funktionierende Infrastruktur zur Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verpackungen des privaten Endverbrauchs zu schaffen. 

Die 2000er Jahre (bis 2019)

Mit Entstehung des Wirtschaftszweiges der Verpackungsentsorgung wurde die Notwendigkeit für ein Monopol immer geringer. Im Jahr 2003 wurde das Ende des Monopols des Dualen Systems Deutschlands vom Bundeskartellamt entschieden. Der Markt wurde für den Wettbewerb geöffnet.

In den Jahren 2010/2011 wurde vom Umweltbundesamt das sogenannte „Planspiel zur Weiterentwicklung der Verpackungsverordnung“ durchgeführt. Zunächst wurde über Gutachten in zwei Teilvorhaben der Inhalt einer möglichen Wertstofftonne und die Organisation und Finanzierung einer erweiterten Wertstoffsammlung untersucht. In einem dritten Teilvorhaben wurden die relevanten Aspekte einer erweiterten Wertstoffsammlung mit den jeweiligen Stakeholdern (Anspruchsgruppen) diskutiert. Dabei wurden auch die Schwachstellen der bisherigen Konstruktion der Verpackungsverordnung hinsichtlich der Finanzierung des Systems betrachtet. Die Lösung ergab sich in der Einrichtung einer sogenannten „Zentralen Stelle Verpackungsregister", die beliehen wird und im Rahmen Beleihung und ihrer Kontrollbefugnisse hoheitlich agieren muss. Mit der Einrichtung einer zentralen Stelle sollten die bisherigen Schwachstellen des Systems mit folgenden Hauptinstrumenten und folgenden Kernaufgaben beseitigt werden:

  • hoheitliche Regelsetzung und Kontrolle des Finanzierungsmechanismus zwischen den Systemen über die sogenannte Marktanteilsberechnung

  • verbindliche Auslegung der gesetzlichen Vorgaben zu den Pflichten der Hersteller sowie

  • Definition von Leitlinien zur Prüfung der Systembeteiligung bei den großen Herstellern

Zur genauen Ausgestaltung der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) sowie ihrer Detailaufgaben gab es zunächst ein heterogenes Meinungsbild.

Im Jahr 2014 befand sich das wettbewerbliche System der Verpackungsentsorgung in einer schwierigen Situation. Die Ausnahmen in der Verpackungsverordnung wurden von den Verpflichteten zur Auslegung genutzt, um sich in Teilen von den bestehenden Pflichten zu befreien. Ein Vollzug war durch die Dezentralisierung der Daten kaum umsetzbar. Der Systembetrieb drohte zusammenzubrechen. Durch eine Ad-hoc-Zahlung des Handels an einzelne Systeme konnte der Zusammenbruch abgewendet werden. Die Streichung von Ausnahmetatbeständen durch die 7. Novelle der Verpackungsverordnung verhinderte eine kurzfristige Wiederholung des Szenarios. Die Privilegien der Eigenrücknahme wurden gestrichen und die Möglichkeiten der Entsorgung über Branchenlösungen deutlich restriktiver geregelt, sodass diese auf ein realistisches Maß begrenzt wurden.

Der Fast-Zusammenbruch des Systems im Jahr 2014 hatte allen Beteiligten deutlich vor Augen geführt, dass die Verpackungsverordnung Lücken enthielt und eine hoheitliche Überwachung zur Stärkung und Weiterentwicklung des bestehenden Systems alternativlos war. Bereits im Planspiel 2011 hatten vier Verbände der Bundesregierung die Zusage gegeben, dass sie die Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) aufbauen und vorfinanzieren würden:

  • Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e. V.

  • Handelsverband Deutschland - HDE e. V.

  • IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e. V.

  • Markenverband e. V.

Durch verschiedene politische Umbrüche wurde dieses Versprechen erst Ende 2014 wieder aktuell. In Gesprächen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit erneuerten die oben genannten Verbände ihre Zusage, gründeten eine Projekt-GbR und übergaben die Projektleitung an Gunda Rachut. Im Herbst 2015 ging die Projekt-GbR in eine Projekt-GmbH über. Die Geschäftsführung wurde durch die vorherige Projektleitung übernommen.

Eine Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) zu Ansatzpunkten zur Steigerung des Lizenzierungsgrades von Verkaufsverpackungen privater Endverbraucher, veröffentlicht im November 2015 in Mainz, ergab, dass trotz der 7. Novelle der Verpackungsverordnung noch Schlupflöcher in Höhe von etwa 200 Mio. Euro jährlich bestanden. Diesen Betrag haben die rechtskonform handelnden Unternehmen im Rahmen ihrer Systembeteiligung mitgetragen, dies war jedoch ein unhaltbarer Zustand für einen fairen Wettbewerb. Die Notwendigkeit für die Errichtung einer Zentralen Stelle war weiterhin in vollem Umfang gegeben.

Ein Blick über die Grenzen Deutschlands zeigt, dass das Phänomen der Unterbeteiligung, des free riding, leider in allen anderen europäischen Staaten gleichermaßen virulent ist. Regelungen zu freiwilligen Rücknahmen werden genutzt, um die Finanzierungspflichten für die Verpackungsentsorgung zu umgehen. Da mit der Stiftung elektro altgeräte register (ear) in Deutschland bereits ein Register für einen Teil der Produktverantwortlichen umgesetzt wurde, lag der Gedanke nahe, die Defizite in der Verpackungsentsorgung im Rahmen einer ähnlichen Struktur zu lösen.

Geplant war seitens des Gesetzgebers, die Zentrale Stelle in einem WertstoffG (ein ursprünglich vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) geplantes generelles Wertstoffgesetz, das bundeseinheitliche Regeln für die gemeinsame Sammlung von sogenannten stoffgleichen Nichtverpackungen mit Verpackungen in einem Sammelbehältnis mit rein kommunaler Verantwortung für die Wertstoffsammlung vorsah), zu regeln, welches gleichzeitig die Erweiterung der Wertstoffsammlung umsetzt. Die Ausweitung der Wertstoffsammlung auf stoffgleiche Waren, bei Beibehaltung eines privatwirtschaftlichen Systems der Sammlung, wurde jedoch aus kommunaler Sicht kritisiert. Diese Thematik beherrschte seit dem Planspiel im Jahr 2011 die öffentliche Diskussion. Da anzunehmen war, dass ein WertstoffG mit Beibehaltung der privatwirtschaftlichen Sammlung keinen Konsens zwischen Bundesregierung und Bundesrat finden würde, hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit am 11. August 2016 einen Entwurf eines Verpackungsgesetzes vorgelegt, in dem die Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) als neue Institution vorgesehen war. Das Gesetz wurde im März 2017 vom Bundestag beschlossen, am 12. Mai 2017 lag es im Bundesrat vor, am 12. Juli 2017 wurde es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Seit 2019

Am 1. Januar 2019 ist das neue Verpackungsgesetz (VerpackG) vollständig in Kraft getreten und hat die Verpackungsverordnung abgelöst. § 24 VerpackG (Regelungen zur Zentralen Stelle: Errichtung und Rechtsform; Stiftungssatzung) und § 35 VerpackG (Übergangsvorschriften) sind bereits am 13. Juli 2017 in Kraft getreten und galten seitdem schon ergänzend zu den Vorschriften der Verpackungsverordnung. Im Jahr 2020 wurde die erste Novelle des Verpackungsgesetzes beschlossen. Diese ist bis zum 1. Juli 2022 in drei Stufen in Kraft getreten.

Stufe 1

Seit dem 3. Juli 2021 ist es für ausländische Unternehmen ohne Niederlassung in Deutschland möglich, einen Bevollmächtigten zur Erfüllung ihrer Pflichten nach dem Verpackungsgesetz zu beauftragen. Zudem sind folgende Änderungen zu den Angaben der verpflichteten Unternehmen betreffend ihres Eintrags im Verpackungsregister LUCID in Kraft getreten, wie

  • Entfallen der Faxnummer aus den Stammdaten

  • Angabe und Veröffentlichung der europäischen oder nationalen Steuernummer 

  • Entfallen der Veröffentlichung von E-Mail-Adressen der registrierten Unternehmen

  • Veröffentlichung der Angaben zu ausländischen Verpflichteten und deren Bevollmächtigten (Name, Anschrift, Kontaktdaten und Steuernummer) 

Stufe 2

Eine erweiterte Pfandpflicht für bestimmte Einweggetränkeverpackungen (Kunststoffflaschen und Dosen) schrittweise einzuführen:

  • Mit Wirkung zum 1. Januar 2022 ist die erweiterte Pfandpflicht für Einweggetränkever-packungen in Form von Kunststoffflaschen und Dosen für Getränke wie Sekt, Wein, Sekt- und Weinmischgetränke, Weinähnliche Getränke und Mischgetränke, Alkoholerzeugnisse und sonstige alkoholhaltige Mischgetränke, Frucht- und Gemüsesäfte, Frucht- und Gemüsenektare ohne Kohlensäure in Kraft getreten. 
    Dazu zählten seitdem auch schon Getränkedosen befüllt mit Milch- und Milchmischgetränke und sonstige trinkbare Milcherzeugnisse sowie diätetische Getränke für Säuglinge oder Kleinkinder.

  • Mit Wirkung zum 1. Januar 2023 ist die erweiterte Pfandpflicht für Milch- und Milchmischge-tränke mit einem Milchanteil von mindestens 50 Prozent oder sonstige trinkbare Milcherzeugnisse gemäß § 2 Milch- und Margarinegesetz (vor allem Joghurt und Kefir) in Kraft getreten. Es geht um Einwegkunststoffgetränkeflaschen von Milchgetränken mit einem Füllvolumen von 0,1 bis 3 Litern. 

Stufe 3

Mit Wirkung zum 1. Juli 2022 sind folgende Regelungen des Verpackungsgesetzes in Kraft getreten:

  • Erweiterte Registrierungspflicht für alle Unternehmen, die mit Ware befüllte Verpackungen in Verkehr bringen. Mussten sich bislang nur Hersteller systembeteiligungspflichtiger Verpackungen im Verpackungsregister LUCID registrieren, so betrifft diese Pflicht nun alle Verpackungsarten, also auch Transportverpackungen, industrielle Verpackungen oder Mehrwegverpackungen. Damit verbunden gibt es seitdem für Letztvertreiber von Serviceverpackungen keine Ausnahmen mehr betreffend der Registrierungspflicht. Auch diese müssen im Verpackungsregister LUCID registriert sein.

  • Neue Prüfpflichten für Betreiber von elektronischen Marktplätzen und Fulfillment-Dienstleister:

    • Elektronische Marktplätze dürfen seit dem 1. Juli 2022 das Anbieten systembeteiligungspflichtiger Verpackungen zum Verkauf nur dann ermöglichen, wenn die verpflichteten Versand- und Onlinehändler ihre Verpackungen systembeteiligt haben und im Verpackungsregister LUCID registriert sind.

    • Fulfillment-Dienstleister dürfen ihre Tätigkeiten nur gegenüber solchen Unternehmen erbringen, die ihrer Pflicht zur Registrierung im Verpackungsregister LUCID und ihrer Systembeteiligungspflicht nachgekommen sind.

Die geplante europäische Verpackungsverordnung (WR) tritt voraussichtlich ab Mitte 2026 schrittweise in Kraft. Diese wird zahlreiche Rechtsänderungen mit sich bringen.