Empfehlungen des Beirats „Erfassung, Sortierung und Verwertung“
Der Beirat „Erfassung, Sortierung und Verwertung“ bei der Zentralen Stelle Verpackungsregister erarbeitet eigenverantwortlich Empfehlungen zur Verbesserung der Erfassung, Sortierung und Verwertung wertstoffhaltiger Abfälle einschließlich der Qualitätssicherung sowie zu Fragen von besonderer Bedeutung für die Zusammenarbeit von Kommunen und Systemen (§ 28 Abs. 5 VerpackG).
1) Einführung
Seit mehreren Jahren liegen die Verwertungsquoten für Glas deutlich unter 90 Prozent (2019: 81,3 Prozent; 2020: 82,4 Prozent; 2021: 84,8 Prozent). Zuletzt wurde im Jahr 2022 mit 81,4 Prozent die gesetzlich vorgegebene – allerdings im Jahr 2022 um 10 Prozent erhöhte – Verwertungsquote von 90 Prozent deutlich verfehlt. Um die gesetzliche Verwertungsquote zu erfüllen, bedarf es der zusätzlichen Sammlung von rund 200.000 t Altglas. Im Durchschnitt müsste jeder Bundesbürger ca. 2,5 kg mehr Altglas im Jahr sammeln, damit die Verwertungsquote des Verpackungsgesetzes erfüllt werden kann.
Im Jahr 2022 wurden nach einer vom Beirat Erfassung, Sortierung und Verwertung in Auftrag gegebenen Studie (INFA GmbH – Institut für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH, Ahlen; November 2023, „INFA-Studie“) im Schnitt nur 23 kg pro Einwohner jährlich gesammelt. Noch darunter lagen die durchschnittlichen Sammelmengen in den Stadtstaaten sowie in einigen Flächenländern mit hoch verdichteten Siedlungsräumen. Ein Hauptgrund ist die fortschreitende Reduzierung oder verminderte Attraktivität der Standplätze von Glas-Sammelcontainern.
Die Arbeitsgemeinschaft Glas des Beirates Erfassung, Sortierung und Verwertung hat über zwei Jahre intensiv Maßnahmen zur Verbesserung der Sammelqualität entwickelt. Die Mitglieder des Beirates sind sich darin einig, dass die Quotenverfehlung für Glas aufgrund des hohen Klima- und Ressourcennutzens des Einsatzes von Altglas – jede in Deutschland hergestellte Flasche besteht zu rund 60 % aus Altglas-Scherben – nicht hinnehmbar ist und gemeinsame Anstrengungen zur Erhöhung der Erfassungsmengen unternommen werden müssen.
Vor diesem Hintergrund gibt die Empfehlung Hinweise zur Ermittlung optimaler Standplätze mit Blick auf deren Nutzung, Lärmschutz, Gestaltung der Container und deren Pflege. Dies soll die frühzeitige Berücksichtigung der Standortbedingungen in spezifischen Planungsprozessen und bei der Ausschreibung der Sammelleistungen durch die Systeme ermöglichen. Für die Genehmigungsbehörden zur Erteilung von straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnissen soll die Empfehlung ebenfalls als Handlungsorientierung dienen.
2) Hinweise für die Standortwahl
Standortwahl nach Einwohnerdichte
Nach den Ergebnissen der INFA-Studie stehen die Sammelmengen von Behälterglas in Abhängigkeit zur Siedlungs- und Bebauungsstruktur. Bei steigender Einwohnerdichte sinkt die Sammelmenge und liegt etwa ab 1.500 Einwohner pro Quadratkilometer unter 20 kg pro Einwohner jährlich. Dies hat umgekehrt zur Folge, dass sich in städtischen Strukturen die Erhöhung der Zahl der Sammelcontainer auf einen Glas-Sammelplatz pro 1.000 Einwohner deutlich in einer Erhöhung der Sammelmenge niederschlagen würde.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Beirat, dass mindestens 1 Glas-Sammelplatz pro 1.000 Einwohner zur Verfügung steht. Wird diese Relation durch Aufgabe von Sammelplätzen (weiter) unterschritten, ist dies durch neue geeignete Sammelplätze andernorts auszugleichen. Verfügt ein Sammelgebiet über eine höhere Dichte von Glas-Sammelplätzen, sollte diese grundsätzlich nicht reduziert werden.
Das in Deutschland praktizierte System der Farbtrennung bei der Glassammlung – 2- bzw. 3-Farbtrennung – hat sich grundsätzlich bewährt. Zur Generierung von mehr Sammelmenge kann aber im Einzelfall auch ein Verzicht auf die Farbtrennung, namentlich an vergleichbaren, gewerblichen Anfallstellen, sinnvoll sein, wenn z.B. nur ein begrenzter Platz an einem grundsätzlich geeigneten Standort zur Verfügung steht.
Geeignete Standplätze
Die INFA-Studie hat außerdem die unterschiedliche Eignung von Standplätzen ermittelt. So werden überdurchschnittliche Sammelmengen an Orten generiert, die ohnehin regelmäßig angefahren werden, wie Supermärkte, Einkaufszentren, Tankstellen oder Getränkemärkte, aber auch Verwaltungen, öffentliche Einrichtungen (ggf. auch in der Nähe von Schulen und Sporteinrichtungen) und sonstige Anlaufpunkte, schließlich Standorte in Wohngebieten und an Ein- und Ausfallstraßen (mit Haltegelegenheit). Positiv wirken sich zudem parallele Abgabeangebote wie Container für Altkleider oder Elektroaltgeräte aus (sog. Wertstoffinseln).
Demgegenüber werden unterdurchschnittliche Sammelmengen in Gewerbegebieten erzielt. Insbesondere in Neubaugebieten können Unterflurcontainer die Akzeptanz erhöhen (siehe hierzu nachfolgend unter 3).
Insgesamt ist ein „guter“ Containerstandplatz vorbehaltlich immissionsschutzrechtlicher Kriterien (siehe hierzu unter 2) durch folgende Kriterien gekennzeichnet:
gute Erreichbarkeit und hohe Frequentierung,
standortnahe Parkmöglichkeit,
Barrierefreiheit,
gute Einsehbarkeit, Überschaubarkeit und Beleuchtung („Sicherheitsgefühl“),
eventuelle Abgabemöglichkeit für weitere Wertstoffe (insb. Alttextilien),
sauberes Erscheinungsbild.
Standorte im öffentlichen Raum, die die vorgenannten Kriterien erfüllen, sollten aufgrund ihres hohen Mengenpotentials vorrangig ausgewählt, behördlich genehmigt und nur in Ausnahmefällen wieder aufgegeben werden. Einen gesetzlichen Anspruch auf Nutzung besonders geeigneter Standplätze gibt es nicht, wenn diese auf privaten Flächen liegen. Eine Nutzung kann aber z.B. wegen der Erhöhung der Attraktivität der Fläche durch den mit der Glassammlung verbundenen Kundenverkehr vereinbart werden. Dies erfordert in der Regel auch Vereinbarungen über die Reinigung der Flächen. Der Beirat Erfassung, Sortierung und Verwertung appelliert vor diesem Hintergrund an den Einzelhandel, die Nutzung geeigneter Containerstandplätze namentlich auf Parkplätzen von Supermärkten ernsthaft zu prüfen.
Immissionsschutzrechtliche Erwägungen / Abstand zur Wohnbebauung
Die allgemeine Zulässigkeit von Glassammelcontainern ergibt sich im Rahmen der Sozialadäquanz aus § 14 Baunutzungsverordnung – BauNVO. Strikte Grenzwerte, insbesondere in Form eines fixen „Abstandsgebotes“ gibt es hierbei nicht. Bei der Beurteilung, welcher Schwellenwert herangezogen werden muss, wird geprüft, welche Nutzungsart in der näheren Umgebung des Immissionsortes eine dominierende Rolle einnimmt. Insgesamt sollte ein Abstand nicht unter 12 m zur nächstliegenden Wohnbebauung angestrebt werden, wobei in hochverdichteten Innenstadtlagen auch geringere Abstände sachgerecht sein können, besonders bei Bestandsstandorten.
Integrierbarkeit in die Tourenplanung
Der Container muss auch für Entsorgungsfahrzeuge gut anzufahren sein. Insbesondere bei der Planung von Unterflurbehältern sollte die Notwendigkeit eines Geschirrwechsels am Kran des Entsorgungsfahrzeugs (das Geschirr dient zum Anheben des Containers zum Zwecke der Leerung) auf den Entsorgungsrouten vermieden oder jedenfalls schon in der Ausschreibung adressiert werden (siehe hierzu 3).
3) Hinweise zur Ausgestaltung der Container
Allgemeine Hinweise
Für die Akzeptanz der Altglassammelcontainer und die langfristige Sicherung eines Standortes sind die Einhaltung des Lärmschutzes durch die Ausgestaltung von besonderer Bedeutung. Gesetzliche Werte für die einzuhaltenden Lärmschutzgrenzen gibt es nicht. In Wohngebieten sollen lärmgedämmte Behälter zum Einsatz kommen. Es ist derzeit absehbar, dass die rechtlich nicht bindende DE-UZ 21, die einen Schallleistungspegel für Altglassammelcontainer als Konkretisierung des Standes der Technik beinhalten dürfte, auf Basis eines Forschungsvorhabens des Umweltbundesamtes aktualisiert wird. Der Beirat Erfassung, Sortierung und Verwertung wird nach Veröffentlichung einer Aktualisierung diese Empfehlung prüfen. Ungeachtet der Ausgestaltung der Container sollten Einwurfzeiten durch Schilder/Aufkleber am Container deutlich lesbar ausgewiesen werden (nicht an Sonn- und Feiertagen ganztägig sowie an Werktagen in der Zeit von 20:00 Uhr – 7:00 Uhr, vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Anhang Ziffer 22, Spalte 2 der 32. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes).
Besondere Hinweise zur Planung von Unterflurbehältern
Der Beirat Erfassung, Sortierung und Verwertung stellt einen gewissen Trend zu Unterflurbehältern fest, vornehmlich in Neubaugebieten. Der Vorteil dieser Behälterform liegt im Lärmschutz, Flächenersparnis, der barrierefreien Bedienung sowie regelmäßig in einer erhöhten Sauberkeit der Standplätze. Ein Nachteil ist die mögliche Beeinträchtigung der Qualität des Behälterglases durch Flüssigkeitszutritt und demzufolge einer feuchten Lagerung des Glases im Container. Vor diesem Hintergrund sollte der Standplatz eines solchen Containers nicht am tiefsten Punkt des Geländes gewählt werden. Der Standplatz muss außerdem frei zugänglich von Ver- und Entsorgungsschächten im Erdreich sein.
Von besonderer Bedeutung ist hier auch die Zugänglichkeit des Containers für die Leerung (parkende Autos, andere Hindernisse wie Baumbestand). In jedem Fall ist bei Planung von Unterflurbehältern eine frühzeitige Abstimmung mit den Systembetreibern (unter Einbeziehung des Erfassungsvertragspartners) im Rahmen der Abstimmung erforderlich.
Als „Checkliste“ zum Einbau von Glas-Vollunterflurbehältern können die nachfolgenden Richtwerte gelten. Danach wird eine Mindest-Straßenbreite von 3,50 m, eine Mindesttraglast von 26 t (bei Einsatz von Fahrzeugen mit Sattelauflieger auch bis zu 40 t), die Arbeitshöhe von 7,50 m und eine Mindestdurchfahrtshöhe von 4,20 m empfohlen. Bei stromführenden Oberleitungen muss der Abstand zwischen Kran und Oberleitung nach den gesetzlichen Vorgaben mindestens 5,00 m betragen. Es ist außerdem zu beachten, dass das Entsorgungsfahrzeug nur über abgesenkte Bordsteine fahren kann.
Optimalerweise sollte das Geschirr, das für die Oberflurbehälter verwendet wird, auch für Unterflurcontainer nutzbar sein, gegebenenfalls ist eine Vereinbarung bzw. eine Regelung in den Vergabeunterlagen über die Geschirrgestellung zu treffen.
4) Hinweise zu Qualitätskriterien für Container
Abschließend empfiehlt der Beirat Erfassung, Sortierung und Verwertung in die Ausschreibung „Service Level“ zur Reinigung der Container aufzunehmen. Im Ergebnis sollte die Anmutung der Container nicht abschrecken und eine gefahrlose Nutzbarkeit ermöglichen (keine scharfen Kanten, Rost). Mit Blick auf den Umstand, dass Gummilaschen der Container im Einwurfbereich und Innenauskleidungen, die maßgeblich zum Lärmschutz beitragen, schneller beschädigt werden, als dies der Haltbarkeit des Containers insgesamt entspricht, sollte eine Vereinbarung über einzuhaltende Wartungszyklen vorgesehen werden.
5) Öffentlichkeitsarbeit
Unverzichtbar für die Erhöhung der Sammelmenge ist eine Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit und der Abfallberatung für die getrennte Glassammlung durch die Systeme (§ 14 Abs. 3 VerpackG) und die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (§ 46 KrWG). Die Kommunen sollten auch die sog. Nebenentgelte der Systeme (§ 22 Abs. 9 VerpackG) für eine verbesserte Glassammlung einsetzen. Dabei gilt es, die Vorteile einer getrennten Erfassung von Altglas für den Ressourcen- und Klimaschutz hervorzuheben, aber auch darüber zu informieren, welche Stoffe nicht in die Glassammlung gehören und den Recyclingprozess stören (Porzellan, Keramik, Bleiglas, Flachglas etc.). Weitere Akteure wie Verbraucherverbände, Bildungseinrichtungen und die Wohnungswirtschaft sollten in die Öffentlichkeitsarbeit und in umweltpädagogische Maßnahmen aktiv einbezogen werden. Schließlich empfiehlt der Beirat Erfassung, Sortierung und Verwertung, bestehende Kampagnen und Plattformen für die Öffentlichkeitsarbeit und Abfallberatung intensiv zu nutzen (https://www.muelltrennung-wirkt.de; https://www.vku.de/themen/umwelt/abfallberatung; https://www.was-passt-ins-altglas.de).
Weitere Informationen zur Beiratsempfehlung:
Eines der wichtigen Anliegen des Beirates "Erfassung, Sortierung und Verwertung" ist die Verbesserung der Sammelqualität. In diesem Zusammenhang hat der Beirat sich in seinen letzten Sitzungen besonders mit dem starken Zuwachs von schwer verwertbaren faserbasierten Verpackungen verschiedenster Art in der Sammlung und Entsorgung befasst:
Das Verpackungsgesetz (VerpackG) sieht in den §§ 22 Abs. 4, 23 Abs. 3 vor, dass bei Verpackungen aus Papier, Pappe, Karton (PPK) eine Mitbenutzung der öffentlich-rechtlichen Sammelstruktur möglich ist. Verbundverpackungen in diesem Sinne sind also solche, bei denen die Hauptmaterialkomponenten einen Masseanteil von 95 Prozent an der Verbundverpackung unterschreitet. Dies wurde von den Systemen entsprechend in den Trennhinweisen umgesetzt. Siehe hierzu: www.muelltrennung-wirkt.de/muelltrennung-richtig/liste/. Allerdings nehmen Hersteller durchaus abweichende Kennzeichnungen vor, die Basis der jeweiligen Kennzeichnung ist unklar.
Mit Sorge betrachtet der Beirat die starke Zunahme und auch die Materialvielfalt von faserbasierten Verbunden und Monoverpackungen, die in den derzeitigen Sammel- und Verwertungsstrukturen nicht oder nur schwer verwertbar sind. Die neuen Verpackungen müssen auch flüssige und pastöse Füllgüter aufnehmen und den entsprechenden Produktschutz gewähren. Sie werden mit einer großen Vielzahl von Klebstoffen, Beschichtungen/Haftvermittlern und Verarbeitungsweisen konfektioniert, die oftmals die Verwertung hindern. Beispielhaft seien genannt: beidseitige Beschichtungen, gewachste Papiere oder Faserguss.
Aus Verbrauchersicht ist es nicht erkennbar, ob der Prozentanteil des Hauptmaterials über 95 % liegt. Allerdings wird ein erheblicher Anteil dieser Verpackungen nicht über die angedachte getrennte Erfassung gesammelt, so dass diese Mengen dem Recycling komplett verloren gehen.
Die Verwertbarkeit hängt nicht vom Anteil der Nebenmaterialien ab, sondern in der Regel von der konkreten Ausführung der Verpackung. Einige Ausführungen sind kaum bis gar nicht verwertbar, auch bei einem Nebenmaterialanteil von < 5 %, andere sind gut über den Papierstrom verwertbar, auch bei einem Anteil von Nebenmaterialien von > 5 %.
Der Beirat der Zentralen Stelle setzt sich dafür ein, dass bei der Entwicklung von Politikinstrumenten das Gesamtsystem betrachtet wird, um das Ziel der gesamthaften Steigerung von
a. recyclinggerecht gestalteten Verpackungen und der
b. tatsächlich zu einem hohen Prozentsatz und gleichzeitig hochwertig recycelten Verpackungen
zu erreichen.
Daraus leiten sich drei Forderungen zur o.g. Problemstellung an die Bundesregierung ab:
a) Einführung eines effizienten finanziellen Anreizsystems, um gut verwertbare Verpackungen zu fördern.
b) Kennzeichnung für Verbraucher, um die Verpackungen in einem deutlich höheren Anteil dem richtigen Erfassungssystem zuzuordnen (unabhängig von Prozentgrenzen).
c) Vermeidung von kontraproduktiven Politikinstrumenten, die die Entwicklung fördern würden.
Zu a)
Die aktuelle Regelung des § 21 VerpackG hat eine wichtige Entwicklung hin zu einer Bewertung von Verpackungen in Bezug auf die Recyclingfähigkeit angestoßen. Nicht ausreichend sind jedoch die aktuell geregelten Möglichkeiten dazu, recyclinggerechtes Design effektiv deutlich besser zu stellen. Hier würde eine deutliche Kostenspreizung zwischen nicht bzw. wenig recyclebaren Verpackungen eine starke Anreizwirkung entfalten, die Verpackungen im Sinne einer Kreislaufführung der Materialien zu verbessern.
Zu b)
Die Lösung unter a) setzt voraus, dass die Verpackungen einer Bemessung unterzogen werden. Das würde gleichzeitig ermöglichen, die Verpackungen auch in Bezug auf das optimale Sammelsystem zuzuordnen und zu kennzeichnen. Wenn die Kennzeichnung eine verpflichtende Vorgabe wäre, könnte der Verbraucher deutlich leichter eine korrekte Entsorgung vornehmen.
Zu c)
Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung für die 20. Legislaturperiode (https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/gesetzesvorhaben/koalitionsvertrag-2021-1990800) enthält viele ambitionierte Ansätze für die Fortentwicklung der Kreislaufwirtschaft. Dies wird vom Beirat ausdrücklich begrüßt. In Bezug auf Mindestrezyklateinsatzquoten und die Umsetzung der Plastikabgabe sind jedoch Umsetzungsvarianten denkbar, die die oben beschriebene, kontraproduktive Entwicklung noch deutlich verstärken könnten. Sofern Kunststoffverpackungen einseitig mit höheren ordnungsrechtlichen und fiskalischen Maßnahmen belastet werden, sind weitere Ausweichreaktionen auf andere Materialien zu erwarten.
Eines der wichtigen Anliegen des Beirates "Erfassung, Sortierung Verwertung" ist weiterhin die Entwicklung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sammelqualität. In diesem Zusammenhang hat der Beirat sich in seinen letzten beiden Sitzungen auch mit der Sammlung und Entsorgung von Einweg-Gasdruckflaschen verschiedenster Art befasst:
Gasdruckflaschen bzw. -kartuschen gelten als Verpackungen (vgl. Nr. 2 Anlage 1 (zu § 3 Abs. 1) des Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die hochwertige Verwertung von Verpackungen, Verpackungsgesetz – VerpackG). Diese Verpackungen fallen regelmäßig beim privaten Endverbraucher an. Der vorgezeichnete Weg der Entsorgung ist daher die Entsorgung in der gelben Tonne/ im gelben Sack. Dies setzt allerdings voraus, dass die Verpackungen restentleert sind. Die erforderliche Restentleerung kann der private Endverbraucher regelmäßig nicht sicherstellen. Auch sind die Verpackungen nicht nur wegen ihres Gewichtes jedenfalls für die Entsorgung im gelben Sack ungeeignet, sondern auch, weil restentleerte Gasdruckflaschen und -kartuschen ein möglicherweise gefährliches Druckgefäß darstellen; dies gilt auch bei Entsorgung im Restabfall. Daher geben private Endverbraucher die Verpackungen aus Unsicherheit über die richtige Entsorgung regelmäßig auch in Wertstoffhöfen ab. Soweit sie diese entgegennehmen – es handelt sich hierbei um Verpackungen, für die ein grundsätzlich anderer Entsorgungsweg vorgesehen ist – stehen sie ebenfalls vor dem Problem, dass die Verpackungen möglicherweise nicht druckgasfrei sind. Am Ende ihres Weges werden dickwandige Gasdruckflaschen und -kartuschen von den stahlverarbeitenden Fabriken unter dem Gesichtspunkt der Explosionsgefahr nur dann akzeptiert, wenn sie aufgeschnitten und daher die Restentleerung vor Anlieferung sichergestellt ist. Die Vorbereitung für das Recycling dieser Verpackungen ist daher außerordentlich aufwändig. Durch ein Pflichtpfand könnte dagegen sowohl die vorzugswürdige Wiederverwendung der Verpackungen sichergestellt werden. Außerdem ließen sich Risiken beim Recycling infolge nicht restentleerter Gasdruckflaschen und -kartuschen vermeiden.
Der Beirat hat daraufhin einstimmig die folgende Empfehlung beschlossen: Empfehlung des Beirates Erfassung, Sortierung und Verwertung Pfandlösung für dickwandige Gasdruckflaschen und -kartuschen (11/ 2021)
Zur Vermeidung von Störungen von Sammlung und Recycling empfiehlt der Beirat Erfassung, Sortierung und Verwertung Pfandlösungen für dickwandige Einweg-Gasdruckflaschen und -kartuschen mit Gasen aller Art (Helium, Butan, Propan) im Bereich ab 200 ml. Die Festschreibung eines Pflichtpfandes im VerpackG sollte geprüft werden; ein Mehrwegpfand für CO2-Kartuschen ist auf freiwilliger Basis bereits etabliert.
Mit der am 29. Oktober in Kraft getretenen KrWG-Novelle vom 23. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2232) wurde in Angleichung an die mit der Richtlinie (EU) 2018/852 in der Verpackungsrichtlinie 94/62/EG eingeführten Definition für Verbundverpackungen auch die Verbunddefinition in § 3 Abs. 5 VerpackG geändert. Damit entfällt in § 3 Abs. 5 VerpackG die bisherige Ausnahme aus der Verbunddefinition für Verpackungen, bei denen die Hauptmaterialkomponente einen Masseanteil von 95 Prozent überschreitet.
In § 16 Abs. 3 Satz 4 VerpackG wird allerdings mit der Gesetzesänderung gleichzeitig die bisherige ökologische Überlegung aufrechterhalten, dass „in diesen Fällen jedoch häufig eine gemeinsame Verwertung zusammen mit dem Stoffstrom der Hauptmaterialart ökologisch sinnvoll ist“ (BT-Drs. 19/22612, S. 24). Die bisherige Verbunddefinition hatte zur Folge, dass eine Verbundverpackung, bei der eine Materialkomponente den Masseanteil von 95 % überschreitet, im Rahmen des Recycling und der damit verbundenen Quotenberechnung dieser Hauptmaterialart zugerechnet werden musste.
Vor dem Hintergrund von Fragen aus dem Markt, ob mit der Gesetzesänderung eine Änderung der bisherigen Praxis der Quotenberechnung bei Verbundverpackungen beabsichtigt sein sollte, hält der Beirat Erfassung, Sortierung, Verwertung im Rahmen seiner Aufgabe nach § 28 VerpackG, Empfehlungen u. a. zur Verbesserung der Sortierung und auch zur Verwertung wertstoffhaltiger Abfälle zu erarbeiten und zu veröffentlichen fest:
Es ist das Verständnis des Beirates, dass der Gesetzgeber mit der geänderten Verbunddefinition keine Änderungen in der Praxis bewirken, sondern lediglich den Wortlaut des deutschen Gesetzes den europäischen Vorgaben anpassen wollte. Eine Änderung der Praxis der Quotenberechnung ist daher aus Sicht des Beirates nicht vorzunehmen.
Eines der wichtigen Anliegen des Beirates "Erfassung, Sortierung Verwertung" ist die Entwicklung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sammelqualität. Die vom gemischten Siedlungsabfall getrennte Sammlung von LVP ist in Ansehung der anspruchsvollen Quotenvorgaben von zentraler Bedeutung.
Bundesweit lassen sich in der Praxis der LVP-Erfassung teils erhebliche Fehlbefüllungen mit gemischten Siedlungsabfällen in LVP-Behältern (Gelbe Tonnen), aber auch Gelben Säcken feststellen. Durch die mangelnde Getrennterfassung wird in besonderem Maße die Recyclingfähigkeit der in den Behältnissen gesammelten LVP insgesamt beeinträchtigt. Unter Umständen führt die Fehlbefüllung sogar dazu, dass der gesamte Inhalt eines Behälters als Restmüll entsorgt werden muss. Zudem wird der auf diese Weise falsch entsorgte Restmüll auch der Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger entzogen.
Wird in einem Sammelgebiet das Sammelsystem von Sack auf Tonne umgestellt, zeigt die Praxis, dass dies ohne Begleitung zu einer signifikanten Verschlechterung des Sammelgemisches führen kann.
Der Beirat hat in einer hochfrequent tagenden Unterarbeitsgruppe Maßnahmen identifiziert, um die Sammelqualität durch Reduzierung der Fehlbefüllung zu verbessern. Ansatzpunkt ist ein qualitatives Verständnis der Fehlbefüllung: Die Recyclingfähigkeit der in der gelben Tonne gesammelten LVP soll nicht durch Abfälle, die getrennt von LVP zu sammeln sind, beeinträchtigt werden.
Auf dieser Grundlage empfiehlt der Beirat eine Ergänzung von § 8 und der Anlage 3 zur Orientierungshilfe zur Abstimmungsvereinbarung in der Fassung vom 6. Juni 2018. Die Beiratsempfehlung enthält den Vorschlag für eine Definition einer Fehlbefüllung, die geeignet ist, die Sammelqualität im Einzelfall erheblich und auf das Bundesgebiet bezogen in einer quotenrelevanten Weise zu beeinträchtigen. Als weitergehende Maßnahme empfiehlt der Beirat, dass Vertragspartner der Abstimmungsvereinbarungen prüfen sollen, sich über das Folgende zu einigen:
Bei wiederholter Fehlbefüllung erfolgt ein Hinweis an den Abfallerzeuger/Abfallbesitzer zur Nachsortierung bis zur nächsten Abfuhr. Wird der Aufforderung zur Nachsortierung nicht nachgekommen, wird der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger hierüber informiert und wird im Rahmen seiner satzungsrechtlichen Befugnisse eine gebührenpflichtige Entsorgung als Beseitigungsabfall durchführen. Im Wiederholungsfall kann die Anfallstelle im Einvernehmen mit dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zeitweilig von der Verpackungsentsorgung durch die Gelbe Tonne ausgeschlossen werden. Das Zusammenspiel zwischen System und Entsorger erfordert den Abschluss einer Vereinbarung zur Auftragsverarbeitung. Ein Muster hierzu, das im Einzelnen von System und Entsorger verhandelt werden kann, ist im neuen Anhang zur Anlage 3 der Orientierungshilfe zur Abstimmungsvereinbarung in der Fassung der Empfehlung des Beirates enthalten.
Die Beiratsempfehlung vom 10. März 2020 im Volltext besteht aus zwei Dokumenten
Materialsammlung zur Beiratsempfehlung vom 10. März 2020
Beispiele für Hinweise, die an Gelben Tonnen angebracht werden könnten:
Materialsammlung Sammelqualität: Aufkleber
Materialsammlung Sammelqualität: Tonnenanhänger Dortmund
Materialsammlung Sammelqualität: Tonnenanhänger Osnabrück
Die Materialsammlung ist nicht Bestandteil der Empfehlung des Beirates. Sie kann fortlaufend ergänzt werden, etwa durch Beispiele für flankierende Satzungsregelungen.